Zuerst die Greissler, dann die Bauern: 

Einer aus unserer Mitte musste aufgeben

Es ist eine Geschichte, die man eigentlich nicht schreiben möchte, so traurig ist sie. Wir sind ehrlich betroffen als wir mit Markus Kothmayr in seinem Bauernhof zusammen sitzen und seine Geschichte hören. Sein Lebensplan war, die externe Arbeit schrittweise zu reduzieren, um sich dann gänzlich seinen Milch- und Mutterkühen widmen zu können. Jetzt musste der Ehrendorfer Landwirt seine Kuhhaltung völlig aufgeben. Der Stall ist leer. „Weil es nicht mehr gegangen ist“, sagt Markus. Lange Zeit hat der sympathische 40jährige es gewusst, aber nicht wahrhaben wollen. Ein Familienbetrieb seit 1749, vor 15 Jahren vom Vater übernommen. „Da hängt mein Herz dran“, sagt er, „aber ich hatte noch Glück im Unglück“. Durch sein Einkommen als Landschaftspfleger ist er finanziell so unabhängig, dass er nicht wie viele seiner Kollegen zum Weitermachen gezwungen ist. Es ist die Schere, die immer weiter auseinandergegangen ist: Einerseits soll der Betrieb größer werden, andererseits benötigen aber mehr Kühe und Kälber auch mehr Zeit und Investitionen. Das dafür erforderliche Geld verdient man aber leider nicht mehr mit den Kühen, sondern im Nebenerwerb. Man muss also mehr arbeiten und hat daher weniger Zeit für die Kühe. Ein System, das nicht funktionieren kann. 


Zum ersten Mal seit 1999 nicht im Stall
Er hat immer viel gearbeitet, sich darüber nie beschwert, weil es ihm Spaß machte. Um halb fünf in den Stall, um sieben in der Arbeit und am Abend wieder in den Stall. 16 Stunden Tage waren für Markus ganz normal. Verrückt sagt er rückblickend, dass man dann „Gott sei Dank“ am Sonntag Zeit hat, Heu zu machen. Seit der Übernahme des Hofes hat er keinen Urlaub gemacht, bei Festen in Ohlsdorf hat man ihn auch nicht gesehen. Letzte Woche war er zum ersten Mal seit 1999 nicht im Stall. Total ungewohnt, sagt der trotzdem fröhliche Junggeselle. Bei uns Bauern läuft vieles falsch, kritisiert Markus. Er meint damit, dass esin der Landwirtschaft von den meisten seiner Kollegen als völlig normal angesehen wird wenn der pensionierte Vater mitarbeitet, damit der Betrieb noch einigermaßen funktioniert. Aber welcher pensionierte Tischler geht mit seinem Sohn auf Montage, weil sonst der Unternehmer nicht ausreichend verdienen würde? Es gibt in der Landwirtschaft nur eine Transparenz bei Förderungen, aber keine Transparenz bei den Kosten. Es sei traurig, wie unüberlegt Leute oft von „überzogenen“Förderungen sprechen ohne zu wissen, welche Kosten diesen gegenüberstehen. Leider bemühen sich die eigenen Funktionäre auch nicht um eine solche Gegenüberstellung und sind hauptsächlich auf eigene Vorteile bedacht.

Keine Gegenüberstellung Förderung – Kosten
Markus wird in den nächsten fünf Jahren die Förderung von EUR 9.000,- auf 4.500,- pro Jahr gekürzt. Die Kosten der Sozialversicherung, anderer Abgaben und Kosten für Hygiene , Tierarzt,usw. sind jedoch massiv gestiegen, der um 30% erhöhte Einheitswert macht den Rest. Gleichzeitig sind die Erlöse für die Milch in den Keller gefallen. Eine sehr schlechte Kombination. Letztes Jahr ist pro Monat EUR 1.000,- abgegangen, als Ausgleich habe er EUR 120,- erhalten. „Normale“ Unternehmer, die derartig wirtschaften, bestraft das Finanzamt wegen „Liebhaberei“. Als scheinheilig sieht Markus die Diskussion um die Unterstützung und Rettung der Bauern. Der Verfall habe mit dem Beitritt zur EU begonnen, jetzt werde uns mit TTIP der nächste Todesstoß als „Chance“ verkauft. Er erinnert an die angebliche Unterstützung der Greissler und das politische Bekenntnis, dass diese nicht verschwinden dürften. Wo ist heute noch ein Greissler? So wie die Greissler werden auch die kleinen Bauern alle verschwinden, ist er überzeugt. Von den in Ohlsdorf verbliebenen sechs Milchbauern werden die meisten bald, spätestens aber in 10 Jahren nicht mehr hier sein. Man muss kein Anhänger einer Verschwörungstheorie sein, um hier ein System der großen finanziellen Interessen erkennen zu können. Die Großen gewinnen, die Kleinen verschwinden. Der enttäuschte Bauer sagt, die letzten 30 Jahre haben wir nichts anderes gehört als „immer mehr, immer größer“ und „wachsen oder weichen“. Noch im Herbst 2015 war gemäß den Aussagen der Politiker und Molkereien alles in Ordnung. In Wahrheit wussten sie aber schon von der bevorstehenden Krise, die im Februar schlagartig einsetzte. 

Direkte Enteignung
Mit dem Wegfall des Kontingents wurde ironischerweise geworben, es sei eine große Chance für die Landwirt und endlich könnten die Bauern so viel verkaufen wie sie wollen. Tatsächlich war es eine direkte Enteignung. Sein vor zwölf Jahren um EUR 100.000,- gekauftes Milchlieferrecht war plötzlich wertlos. „Wo gibt’s das sonst“, fragt Markus verärgert, „dass ein Recht, welches man mit weiteren Genossenschaftsanteilen kaufen muss, von einem Tag auf den anderen nichts mehr wert ist?“Die Milchindustrie in Irland, Dänemark, Holland und Norddeutschland hätten die Produktion um 30% erhöht, Österreich dagegen nur um ca. 2,5%. Würde Österreich seine Milchproduktion plötzlich völlig einstellen, hätte das in der EU praktisch kaum Auswirkungen, denn wir produzieren lediglich 2% der Milch innerhalb der EU. Das relativiert tatsächlich Einiges. Wir verstehen jetzt noch besser, warum die kleinen Bauern wirklich die nächsten Greissler sind. 
Wir danken Markus für die offenen und ehrlichen Worte!  (Juli 2016)

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